Töchter narzisstischer Mütter
Unsere allererste Liebesbeziehung ist die zu unserer Mutter. Sie hat die Macht, unser Urvertrauen zu untermauern oder zu untergraben. Die Qualität dieser ersten Liebesbeziehung entscheidet darüber, ob wir uns hier auf diesem Planeten wohl und willkommen fühlen. Über die ersten Interaktionen mit der Mutter entwickeln wir ein Gefühl für uns selbst und unsere Umgebung. Die Begegnungen mit ihr formen unser Bild von der Welt, von anderen Menschen und unserem individuellen inneren Wesen.
Ein Kind ist abhängig von der physischen und emotionalen Zuwendung seiner Mutter, von ihrer Berührung, ihrem Lächeln und ihrem Schutz. Wenn die Mutter Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse ihres Kindes auf einfühlsame Weise wahrnimmt, vermittelt sie ihm damit etwas ganz wichtiges:
Das Kind lernt durch die Erfahrungen und Interaktionen mit ihr, wer es ist und welchen Wert es hat.
Töchter narzisstischer Mütter entwickeln ein diffuses mangelhaftes Selbstbild, weil ihre Mütter nicht dazu in der Lage waren sie als separate Individuen zu sehen und zu behandeln. Die Beeinträchtigung des Individuationsprozesses führt bei ihnen später besonders in intimen Beziehungen zu Ängsten und Nähe-Distanz-Problemen.
Töchter narzisstischer Mütter – Auswirkungen
Eine Mutter, die sich schwer in andere einfühlen kann gefährdet die gesunde psychische Entwicklung ihres Kindes. Wie Narcissus aus der griechischen Sage sieht sie in ihrem Kind eine Reflektion ihrer eigenen Person. (Artikel Narzissmus – Typen) Sie ist nicht dazu in der Lage, es als einzigartiges individuelles, von ihr getrenntes Wesen wahrzunehmen. Das heißt zwischen ihr und dem Kind existieren keine klaren Grenzen.
Sie kann ihr Kind nicht um seiner selbst Willen und in seiner Einzigartigkeit lieben. Narzisstische Verhaltensmuster bewegen sich auf einer Skala. Je ausgeprägter sie sind, desto stärker kompromittieren sie die Fähigkeit von Eltern, ihren Kindern ein familiäres Umfeld zu bieten, in dem sie zu emotional gesunden, stabilen und sicheren Persönlichkeiten heranwachsen können.
Die Auswirkungen des Verhaltens einer narzisstischen Mutter auf die Tochter unterscheiden sich von den Folgen, die das auf ihren männlichen Nachwuchs hat. Töchter sehen ihre Mutter als Rollen-Vorbild. Sie identifizieren sich deshalb intensiver mit ihr.
Töchter narzisstischer Mütter – Merkmale der Beziehung
Fehlende Grenzen: Die narzisstische Mutter sieht ihre Tochter als Verlängerung von sich selbst, gleichzeitig aber auch als Bedrohung. Mit Hilfe von wiederholten Zurechtweisungen und Kritik versucht sie die Tochter unbewusst zu einer Idealversion von sich selbst zu machen. Sie projiziert nicht nur ihre eigenen ungewollten, abgelehnten Aspekte (Egoismus, Überlegenheit, Widerspruchsgeist, Kälte etc.), sondern auch die von ihrer eigenen Mutter abgewerteten Eigenschaften und Verhaltensweisen auf ihre Tochter. Eine narzisstische Mutter hat oft die Tendenz den Sohn zu bevorzugen, was seine Psyche auf andere Art und Weise aber ebenso verletzt. Hier kommt es oft zu emotionalem Inzest.
Emotionale Nichtverfügbarkeit: Eine narzisstische Mutter enthält ihrer Tochter emotionalen Trost und körperliche Zuwendung vor – Selbstverständlichkeiten, die normalerweise aus einer gesunden mütterlichen Fürsorge resultieren. Sie kümmert sich zwar gut um die materiellen Bedürfnisse ihrer Tochter, lässt sie aber emotional verhungern. Die Tochter ist sich dessen gar nicht so recht bewusst, was ihr fehlt. In der Tiefe spürt sie jedoch eine Sehnsucht nach mehr Verständnis und Wärme, so wie sie es vielleicht bei Freunden, anderen Verwandten und in der Beobachtung anderer Mutter-Tochter-Beziehungen erlebt. Sie sehnt sich nach einer für sie selbst schwer fassbaren Verbindung zu ihrer Mutter, die sie – wenn überhaupt – nur flüchtig erlebt.
Töchter narzisstischer Mütter lernen deshalb nicht, ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse zu erkennen und wertzuschätzen. Sie bleiben unbefriedigt. Es entsteht ein Gefühl von Leere und/oder Angst, mit dem wagen Gefühl, dass irgend etwas fehlt. Töchter narzisstischen Mütter können nicht lernen, sich selbst zu trösten und gut für sich zu sorgen. Sie versuchen diesen empfundenen Mangel durch andere Beziehungen auszugleichen, was ihnen oft nicht gelingt. In der Regel wiederholt sich in ihren Beziehungen später dieses Muster der emotionalen Nichtverfügbarkeit.
Narzisstischer Missbrauch: Eine narzisstische Mutter neigt zu übermässiger Kontrolle und zu wiederholten Beschämungen ihrer Tochter. Ihr Verhalten unterminiert das sich in der Entwicklung befindende Ich-Gefühl eines jungen Mädchens. Sie macht ihre Tochter unsicher, schwächt ihr Selbstbild und ihr Gefühl eines inneren Werts. Die Tochter einer Mutter mit narzisstischen Verhaltensmustern lernt es nicht, ihren eigenen Gefühlen und Impulsen zu vertrauen. Sie glaubt Schuld daran zu sein, dass ihre Mutter nicht zufrieden mit ihr ist, weil sie nicht erkennen kann, dass es nie reichen würde.
In schweren Fällen emotionaler Vernachlässigung bzw. emotionalem Missbrauchs glaubt die Tochter, dass sie kein Recht hat zu existieren, dass sie eine Last für ihre Mutter ist und nicht hätte geboren werden sollen. Die Männer narzisstischer Mütter verhalten sich oft sehr passiv und bieten der Tochter keinen Schutz vor dem mütterlichem Missbrauch. Eine solche Tochter hat keinerlei Vorbild, das ihr zeigen würde, wie man sich behauptet. Töchter narzisstischer Mütter fühlen sich deshalb oft machtlos. Sie tendieren später in ihren Beziehungen dazu, missbräuchliches Verhalten zu tolerieren bzw. es gar nicht als solches wahrzunehmen.
Toxische Schamgefühle: Die Tochter wird von ihrer narzisstischen Mutter nicht als Individuum akzeptiert. Sie ist gezwungen bestimmte Aspekte zu opfern, um die Liebe der Mutter nicht zu verlieren. Dieses Muster der Selbstablehnung wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit später in ihren Beziehungen in Form von co-abhängigem Verhalten wiederholen. Ihr wahrer Wesenskern wird – zuerst von ihrer Mutter und dann von ihr selbst – unterdrückt und abgelehnt. Die Folge dessen sind Schamgefühle, die sich auf der inneren Überzeugung nicht liebenswert zu sein begründen:
“Wie kann ich liebenswert sein, wenn nicht einmal meine Mutter mich für das, was mich im Innersten ausmacht liebt?”
Nun wachsen wir mit der gesellschaftlichen Prämisse auf, dass Kinder ihre Mütter lieben sollten. Die Tochter einer narzisstischen Mutter bringt das in einen zusätzlichen Konflikt: Ihre Wut auf die Mutter, die sie manchmal spürt, scheint ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass sie schlecht ist und dass die Kritik ihrer Mutter berechtigt ist. Das Leben von Töchtern narzisstischer Mütter besteht oft aus dem unaufhörlichen Streben nach etwas, was nie die ersehnte Erfüllung bringt. Sie glauben, der Liebe eines anderen Menschen nicht wert zu sein und wiederholen in ihren erwachsenen Beziehungen Zyklen des Scheiterns.
Kontrolle: Eine Mutter mit stark narzisstischen Zügen verhält sich kurzsichtig. Weil sie glaubt, die Welt dreht sich allein um sie, kontrolliert und manipuliert sie die Bedürfnisse, Gefühle und Entscheidungen ihrer Kinder, wo sie nur kann. Wenn es ihr nicht gelingt sieht sie es als persönlichen Angriff und Grund zur Bestrafung. Eine stark egozentrische Mutter neigt dazu, sich auf sich selbst und ihren Sohn zu konzentrieren und ihre Tochter dabei zu vernachlässigen.
Wettbewerb: Ein narzisstische Mutter legt Wert darauf, dass andere sie für fair halten, da sie es unbewusst fürchtet parteiisch zu sein. Deshalb kritisiert sie ihre Tochter nicht nur. Sie tritt auch mit ihr in den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit ihres Mannes und Sohnes. Manchmal schaut sie deshalb einfach weg, wenn der Vater (Sohn) missbräuchlich mit der Tochter (Schwester) umgeht. Narzisstische Mütter neigen dazu, die Freunde der Tochter mit dem Argument, dass sie nicht gut genug für sie sind zu verscheuchen. Um die Kontrolle zu behalten unterminieren sie die Privatsphäre ihrer Tochter und generell ihre Beziehungen zu Freunden oder anderen Verwandten.
Stärkung des eigenen Selbstwerts: Eine narzisstische Mutter möchte ihre Tochter in ihren Werten und in ihrem äußerem Erscheinungsbild nach ihrem Geschmack formen, beschneidet sie gleichzeitig in diesem Prozess aber auch immer wieder über Kritik und Kontrolle. Mit dem Grundtenor: “Ich weiß als einzige, was für dich gut und richtig ist.” versucht sie ihre Tochter in ihrem Auftreten, ihren Interessen und in der Wahl ihrer Sozialkontakte nach ihren Vorstellungen zu formen.
So unterminiert sie die Fähigkeit der Tochter für sich selbst zu denken, für sich selbst herauszufinden was sie möchte, sich entsprechende Ziele zu setzen und sie zu verfolgen. Die Aufmerksamkeit, die sie ihrer Tochter zukommen läßt wird von verdecktem Neid, von der Erwartung von Dankbarkeit, Mitarbeit und Anpassung begleitet. In erwachsenen Beziehungen finden sich Töchter narzisstischer Mütter häufig in Beziehungen mit einem ungesunden Machtgefälle wieder.
Töchter narzisstischer Mütter – Befreiung ist möglich
Wenn du mit Gefühlen von Ablehnung und Scham aufgewachsen bist, dann kannst du dich heute mit etwas Geduld und Motivation aus deinen Verstrickungstendenzen und Co-Abhängigkeiten befreien. (Siehe Artikel: Co-Abhängigkeit und Verstrickung) Du brauchst zunächst absolute Klarheit darüber, dass die Botschaften und Glaubensmuster deiner Mutter kein Spiegel der Realität sind.
Ein wichtiger nächster Schritt wäre die Betrachtung deiner erworbenen Glaubenssätze und Bewältigungsstrategien und die Umprogrammierung deiner tief verwurzelten unbewussten Annahmen. Die negative mütterliche Stimme, die du internalisiert hast wird so im Laufe der Zeit durch eine gesunde, deinen inneren Wesenskern nährende und mitfühlende Stimme ersetzt.
Sehr wohltuend ist die Erkenntnis, dass dein inneres Wesen nicht verloren ggangen ist. Es liegt nur unter negativen Konditionierungen begraben. Das heißt, dass du dich nicht neu erfinden musst. Es geht ausschließlich darum, dich wieder zu entdecken.
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