Die Beziehungsdynamik "Bitte liebe mich"
Vielleicht kennst du diese Beziehungskonstellation:
SIE kämpft mit allen Mitteln verzweifelt um seine Aufmerksamkeit und ER hat das Gefühl, von ihr nicht geliebt zu werden.
Für ihn sieht es so aus, als ob sie nie zufrieden ist. Ihm ist es offenbar unmöglich, sie glücklich zu machen. Um seinen schlechten Gefühlen zu entgehen zieht er sich weiter zurück.
Ein Teufelskreis entsteht, denn bei ihr wächst die Angst vor Ablehnung und Verlust. Sie fragt sich warum er ihr das antut. Denn je mehr sie die Zuwendung dieses Mannes sucht, desto bestimmter weicht er ihr aus.
Die Beziehungsdynamik "Bitte liebe mich." ist weit verbreitet. Sie gleicht einer Epidemie und das hat gute Gründe.
Romantische Filme im "Romeo und Julia" - Stil versinnbildlichen die Sehnsucht vieler Menschen nach intensiven Gefühlen, nach tiefer Verbundenheit und Ausschliesslichkeit in ihren Beziehungen. Frauen, die in der "Bitte liebe mich" - Dynamik stecken beneiden oft Geschlechts-Genossinnen , denen es scheinbar spielerisch gelingt, ihren Männern Aufmerksamkeit zu entlocken.
Sie beweisen, dass es Männer gibt, die maskulin genug sind, um sich von ihren Partnerinnen nicht bedroht zu fühlen. Es gibt sie tatsaächlich - Männer, die entscheidungsfähig sind und gerne die Führung übernehmen ,-)
Frauen in der "Bitte liebe mich" - Dynamik erleben eine völlig andere Realität.
Sie fühlen sich zu Männern hingezogen, die emotional nicht erreichbar sind und sich apathisch verhalten. Dennoch stecken sie all ihre Energie in eine solche Beziehung. Sie lassen sich alle möglichen Sachen einfallen, die den Mann dazu bewegen sollen, sie wahrzunehmen. Im Inneren glauben sie, dass sie sich nur mehr anstrengen zu müssen, um ihn zu binden und zu inspirieren. Sie verbiegen sich für ein paar Bröckchen Aufmerksamkeit.
Das Ganze mündet in Frust, Enttäuschung, Leere und Einsamkeit. Verzweiflung wird zur Normalität, da sie sich neben diesem Mann furchtbar allein fühlen. Sie fühlen sich im Kampf um Liebe und Aufmerksamkeit ausgeliefert und machtlos. Sie nörgeln und kritisieren und verschaffen ihrer Wut ab und zu in emotionalen Ausbrüchen Luft.
Das Ergebnis: ER fühlt sich nicht anerkannt, nicht gewertschätzt und nicht geliebt. Und er glaubt, dass SIE sich komplett verändert hat.
Anfangs hat sie ihn schliesslich angehimmelt. Nun fühlt er sich von ihr vom Sockel gestossen. Er sieht nur noch ihre stetig wachsende Unzufriedenheit mit ihm. Das Leben mit ihr wird zunehmend anstrengender und wenn er mal weg von ihr ist fühlt er nichts als Erleichterung.
Da hat er diesen Stress nicht! Also geht er ihr aus dem Weg. Denn er glaubt, es ist egal was er tut. Es genügt nicht und er kann nicht einmal klar erkennen, was sie genau von ihm will. Groll und Ablehnung bauen sich also weiter in ihm auf.
Mit ihren feinen Antennen spürt sie natürlich die wachsende Distanz und zerrt noch mehr an ihm. Er kann nur noch diese bedürftige Frau sehen, weil er sich von ihr massiv in die Enge getrieben fühlt. Sein Ton wird schroffer, was sie immer wütender macht. Die Abwärtsspirale ist nicht mehr zu aufzuhalten.
Die Ursache und Wurzel dieser Dynamik liegt in der Prägungsgeschichte der Betroffenen.
Die Beziehungsdynamik "Bitte liebe mich" - betroffene Frauen
Betroffene Frauen hatten Väter, die emotional distanziert waren. Sie hatten wichtigeres zu tun, als mit ihren Töchtern bewusst gemeinsame Zeit zu initiieren. Die Väter betroffener Frauen haben sich nicht bemüht herauszufinden, was ihr Kind im innersten ausmacht, welche Vorlieben, Abneigungen, Wünsche und Sehnsüchte es hat.
Es war umgekehrt: Diese Frauen haben sich um die Aufmerksamkeit ihrer Väter bemühen müssen. Und sie haben gelernt, dass sie nur durch Leistung gesehen werden.
Die Art, wie wir uns in intimen Beziehungen mit unseren Partnern fühlen ähnelt oft der, wie wir uns als Kind mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil gefühlt haben.
Betroffenen Frauen fällt es nicht leicht das anzunehmen, weil sie den Schmerz tief unter dem Begehren und Sehnen nach der Liebe ihres Vaters vergraben haben.
Wir tendieren dazu, den Elternteil zu idealisieren, nach dessen Liebe, Aufmerksamkeit und Zuneigung wir uns als Kind vergeblich gesehnt haben.
Unterbewusst sucht eine Frauen in der "Bitte liebe mich" - Dynamik weiter nach der Liebe ihres Vaters. Seine Unerreichbarkeit hat einen intensiven Schmerz und ein Gefühl von Wertlosigkeit in ihr hinterlassen. Diesen Schmerz anzuschauen erfordert Mut.
Die Beziehungsdynamik "Bitte liebe mich" - betroffene Männer
Betroffene Männer hatten Mütter, die mit ihnen emotional verstrickt waren. Sie haben ihnen wenig Freiraum gelassen. Mit Zuneigung wurden sie oft überschüttet. Aber diese Art von Nähe hat sich nicht immer gut angefühlt, denn sie war an Bedingungen geknüpft.
Die Mütter dieser Männer haben ihre Überfürsorge Liebe genannt und nicht bemerkt, dass sie damit ihre eigene emotionale Bedürftigkeit befriedigt haben. Um die Kontrolle über ihren Sohn zu behalten haben sie ihn oft kritisiert.
Was einmal aus dem Sohn wird und wie er sein Leben gestaltet, das war für diese Mütter von grosser Wichtigkeit. Betroffene Männer haben direkt oder unterschwellig von ihren Müttern die Botschaft erhalten, dass sie sie durch unerwünschtes Verhalten unglücklich machen würden.
Liebe wurde nur dann gewährt, wenn der Sohn sich an gewisse Regeln hielt. Mit anderen Worten liebten sie den Sohn für das, was er für sie sein sollte, nicht für das, was er war.
Sie haben den Sohn für ihr Glück verantwortlich gemacht, sodass seine Lernerfahrung war: Der einzige Weg zu überleben besteht darin, mich zu verschliessen.
Nähe bedeutet für ihn Vereinnahmung. Auch er sehnt sich nach tiefer Verbindung, aber gleichzeitig wittert er in zu viel Nähe eine Falle. Wahrscheinlich war er einmal ein richtiges Mama-Kind, aber er hat sich mit seiner Mutter nicht immer gut gefühlt.
Die negativen Auswirkungen dessen verstärken sich, wenn betroffene Männer zusätzlich einen schwachen, passiven Vater hatten.
Einen Vater im ständigen Rückzug. Denn besonders dann versuchen Mütter unterbewusst den Sohn zum Partnerersatz zu machen. Sie machen ihren Sohn zur emotionalen Stütze. Und das schüttet bei diesen Männern natürlich noch zusätzliches Öl ins Feuer. Intimität wird zur grössten Gefahr.
Es ist extrem schwer für diese Männer, sich ihre Mutterwunde einzugestehen, denn es erzeugt Schamgefühle, wenn sie sich erlauben, ihre Mutter in einem nicht perfekten Licht zu betrachten. Es ist für sie einfach nicht okay, so zu denken, denn sie erliegen immernoch dem stillschweigenden Glauben, für die Gefühle ihrer Mutter verantwortlich zu sein.
Den Schritt zu wagen und die Mutter und damit auch die eigene Kindheit mit realistischen Augen zu betrachten erfordert eine Menge Mut, sodass Schuld viele dieser Männer gefangen hält. Sie sind blind für die Beziehungs-Dynamik, die sie immer wieder durchleben, weil sie die Augen davor verschliessen und blind sein wollen.
Die Beziehungsdynamik "Bitte liebe mich" ist änderbar.
Erkenne zunächst die Hintergründe.
Stell dir dann bitte diese Fragen:
Für dich als Frau: Sehe ich in meinem Partner den Vater, den ich als Kind nie erreichen konnte? Inszeniere ich über meinen Partner meine alten Traumata neu? Kämpfe ich darum, endlich den liebevollen zugewandten Vater, den ich mir immer gewünscht habe, zu bekommen?
Für dich als Mann: Versuche ich unbewusst meine unzufriedene Frau in eine bedingungslos liebende Mutter, die ich als Kind immer haben wollte zu verwandeln? Übertrage ich die Angst von meiner Mutter verschlungen zu werden auf meine Partnerin?
Für dich als Frau: Lerne, die Kontrolle über die Beziehung aufzugeben. Stecke stattdessen all die Energie, die du bisher ihm gewidmet hast, in dich selbst. Sage deinem Partner klar, was du brauchst, aber nehme dich dann zurück.
Wenn er deine Bedürfnisse nicht befriedigen will, dann hat er sich nicht wirklich für die Beziehung mit dir entschieden. Wenn dieser Mann aus deinem Leben geht, lass ihn gehen. Dann gehört er nicht zu dir. Wenn er wöllte, dann wäre er da.
Für dich als Mann: Lerne es Entscheidungen zu treffen. Willst du diese Beziehung oder nicht? Es gibt dazu keine falsche Antwort!
Erkenne: Die Art der Beziehung, die du zu deiner Mutter hattest ist der Grund dafür, dass du Schuldgefühle entwickelst, wenn du dich gegen eine Beziehung entscheiden willst.
Frage dich ehrlich: Will ich (ganz) in dieser Beziehung sein oder nicht? Wenn nicht, dann beende sie.
Nimm wahr, wenn du dich zurück ziehst. Ertappe dich dabei. Möchtest du lernen, wahrhaftig zu lieben? Wenn ja, dann frage deine Partnerin, was du tun kannst, damit sie sich geliebt fühlt.
Sei dir dessen bewusst, dass Rückzug auch eine Entscheidung ist. Offenbar priorisierst du dann andere Dinge. Bleibe nicht im Niemandsland stecken. Willst du mit dieser Frau zusammen sein oder nicht? Entscheide dich.
Und für beide: Die Arbeit mit euren verletzten inneren Kindern ist unumgänglich. Sie haben unter den ungesunden Beziehungs-Dynamiken in eurer Ursprungsfamilie gelitten.
Ihr Frauen könnt eine bessere Vaterfigur für euer inneres Kind kreieren und ihr Männer könnt lernen, euer inneres Kind vor der überkritischen Mutter zu beschützen. Erfindet eine Vaterfigur, die besser zu eurer Mutter gepasst hätte. Erlaubt dieser imaginären Vaterfigur die emotionale Stütze eurer Mutter zu sein. Nehmt eure inneren Kinder (die verletzten Aspekte in euch) an und setzt sie frei.
Lernt es euren Partnern Bedürfnisse offen und ehrlich zu kommunizieren. Fragt euch ehrlich, ob ihr dazu in der Lage seid, die Bedürfnisse des Partners zu erfüllen. Wenn es nicht passt habt den Mut, die Beziehung zu beenden.
Lernt es, euch selbst anzunehmen und wertzuschätzen. Wenn ihr an Partner geratet, die sich euch gegenüber gleichgültig verhalten oder die überkritisch sind, dann ist das ein Beweis dafür, dass es euch noch an einem gesunden Ich-Gefühl mangelt.
Findet Wege euren Selbstwert zu stärken, damit ihr nicht mehr mit Menschen in Resonanz geht, die nicht dazu in der Lage sind, euch zu lieben.
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