Toxische Beziehung heilen
Was ist eine toxische Beziehung?
Per Definition ist eine toxische Beziehung eine Verbindung zweier Menschen, die langfristig - oft schleichend und subtil - das körperliche, mentale und emotionale Wohlbefinden eines der beiden Partner unterminiert und beeinträchtigt. Ein toxische Beziehung ist heilbar, wenn die Beteiligten ihre Anteile erkennen, annehmen und genügend motiviert sind, sie aufzulösen.
Fehlende Empathie und zurückweisendes Verhalten eines Partners macht die Beziehung noch nicht toxisch. Ob sie zerstörerische Qualitäten entwickeln kann, ist davon abhängig, ob der andere Partner das distanzierte oder ambivalente Verhalten seines Gegenübers aufgrund fehlender oder mangelhafter Grenzsetzung toleriert und in dieser schmerzlichen entwürdigenden Situation stecken bleibt.
Im Netz findet man jede Menge Info über toxische Persönlichkeitstypen. Der Grundtenor ist in der Regel immer der, dass beziehungsunfähige Menschen (Borderliner/Narzissten/verdeckte Narzissten/ Manisch-Depressive/Soziopathen/Schizoide/Autisten usw.) Quelle und Ursache des Leids ihrer empathischen Partner sind. Man findet Listen mit Merkmalen toxischer Beziehungen, Ratschläge für Betroffene im Umgang mit solchen Partnernen und Hilfestellungen dazu, wie man sich aus diesen Situationen befreien kann. Der Kern der Beziehungsproblematik, deren Dynamik und tiefer liegenden Sinnhaftigkeit, wird oft nicht beachtet.
Bin ich Opfer einer toxischen Beziehung?
Ist der Gefühls-Mensch (Empath) tatsächlich ein Opfer tragischer Umstände, in die er durch einen dummen Zufall geraten ist?
Ich möchte die Dynamik, die dahinter steht betrachten. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir immer nur mit Menschen in Resonanz gehen, uns von ihnen angezogen fühlen und uns in sie verlieben, die vergleichbare Verletzungsmuster und ähnliche unbewältigte Ängste aus der Kindheit in sich tragen. Der Unterschied liegt in den Bewältigungsstrategien, die sie gewählt haben, um mit ihren durch traumatische Erlebnisse unterdrückten Gefühlen klar zu kommen. Mit anderen Worten: Einem Menschen, der sich in sich selbst sicher und geborgen fühlt, der gut für sich sorgen kann, sich selbst wertschätzt und sich entsprechend abzugrenzen weiss, kann ein anderer Mensch keinen (anhaltenden!) seelischen Schmerz zufügen. Wenn wir uns aufgrund des Verhaltens eines anderen Menschen chronischem Schmerz ausgesetzt sehen, dann dient dieser Mensch als eine Art Botschafter, der in uns durch sein Verhalten alten, ungeheilten Schmerz an die Oberfläche holt. Dieser Schmerz aus vergangenen Zeiten will gesehen, angenommen und geheilt werden. Wir haben in der Kindheit aufgrund der existenziellen Abhängigkeit von unseren Eltern - je nach individueller Situation in der Ursprungsfamilie und je nach genetischer Veranlagung - Verhaltensstrategien entwickelt um Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen und um unangenehme Gefühle, wie der Angst nicht zu genügen, der Angst vor Ablehnung, der Traurigkeit oder Einsamkeit zu vermeiden. Der Empath hat in der Kindheit durch stark nach aussen gerichtete Antennen und hochsensibles Wahrnehmen seiner Umgebung gelernt, emotionale Schwankungen anderer Menschen sofort zu erkennen. Er konnte so durch Anpassung an ihre emotionalen Bedürfnisse ausgleichend wirken ( siehe auch: Co-abhaengigkeit und Verstrickung ). Damit hat er sich in der Kindheit Liebe, Zuwendung und Akzeptanz gesichert. Der Preis war Selbstaufgabe. Der Mensch mit ausgeprägt narzisstischen Mustern hat die gegensätzliche Strategie entwickelt, nämlich die, sich abzuschotten und von starken Gefühlen einfach abzukoppeln, um mangelnde Empathie der Eltern nicht spüren zu müssen und hat Zuflucht in seiner eigenen Welt gefunden. In der von ihm geschaffenen Parallel-Realität muss und kann er andere Menschen nicht fühlen.
Warum bin ich in einer toxischen Beziehung?
Es ist also kein Zufall, dass der Empath immer wieder an Partner gerät, die ihn emotional aushungern, ausnutzen, belügen und verletzen. Es wird ihm solange passieren, bis er verstanden und verinnerlicht hat, dass man sich Liebe nicht durch Unterordnung, Anpassung und die Verleugnung eigener Bedürfnisse und Werte erarbeiten kann. Liebe ist nicht an Bedingungen geknüpft. Hinter seinem Verhalten stecken unbewusste negative Glaubenssätze, wie "Ich bin nicht gut genug", "Ich bin nicht liebenswert"oder "Ich kann nicht allein für mich sorgen". Es ist wichtig, dass er diese unbewussten Überzeugungen erkennt und auflöst. Der Mensch mit übermässig ausgeprägt narzisstischen Verhaltensmustern stellt sich dem Partner mit seinem nach aussen gerichteten co-abhängigen Verhalten unbewusst als eine Art Spiegel zur Verfügung. Er zeigt ihm durch unzuverlässiges und uneinfühlsames Verhalten, wie lieblos, unaufmerksam, kalt und abweisend er mit sich selbst umgeht. Der Empath richtet seine Aufmerksamkeit reflexartig nach aussen und spürt jede noch so kleine Befindlichkeitsänderung im Gegenüber. Er passt sein Verhalten an, ohne Rücksicht auf eigene Bedürfnisse und Wünsche zu nehmen. Das ist nicht so edel und uneigennützig, wie es auf den ersten Blick erscheint, denn er erwartet im Gegenzug Liebe, Anerkennung, Schutz und Geborgenheit von seinem Partner, ohne es auszusprechen. Er möchte das, was er glaubt sich selbst nicht geben zu können von seinem Partner haben. Das heisst, er verhält sich keineswegs authentisch. Sein sich selbst aufgeben und sich selbst verlassen zugunsten der Bedürfnisse des Partners führt dazu, dass er versuchen muss, sich die unterdrückten Wünsche und Bedürfnisse (unterbewusst) auf manipulative Art zu erfüllen. Menschen mit co-abhängigem Verhalten müssen erkennen, dass die fehlende Authentizität und Offenheit eine gute Beziehung genauso unmöglich macht, wie das kalte und ablehnende Verhalten eines Partners mit narzisstischen, egozentrischen Tendenzen. Die eigenen Schattenseiten und ungeheilten Kindheitsverletzungen müssen erkannt und angenommen werden. Sie auch: Anfälligkeit für toxische Beziehung
Wie heile ich eine toxische Beziehung?
In schmerzhaften Beziehungen geht es um ein wieder finden des wahren Selbst durch die Auflösung kindlicher Ängste und Verletzungen. Beide Partner sind hier aufgefordert, sich mit der Frage "Was lebt der andere, was ich nicht lebe?" auseinanderzusetzen. Beide stehen vor der Aufgabe, die bisher unbewusst abgelehnten und vernachlässigten Persönlichkeitsanteile ins Licht zu holen und zu integrieren. Der Empath muss lernen, sich selbst und seine Bedürfnisse genau so wertzuschätzen, wie die des Partners. Seine Aufgabe ist es, sich mehr um die Befriedigung eigener Bedürfnisse zu kümmern. Der Mensch mit vermeidenden narzisstischen Mustern hat in einer solchen Beziehung die Chance zu lernen, seine Angst vor Hingabe und Kontrollverlust zu überwinden, indem er sich Schritt für Schritt zu öffnen versucht und sich wieder verletzlich und damit authentisch zeigt. Die Rückkehr in die eigene Mitte und Ganzheit durch Integration abgelehnter Persönlichkeitsaspekte ist Voraussetzung für das Gedeihen von Liebe und Intimität in Beziehungen, denn wir benötigen beides - gesunde empathische und narzisstische Anteile. Ohne authentisches Verhalten gibt es keine echte Nähe. Ohne ein gutes Selbstgefühl gibt es keine echte Bindung.
Toxische Beziehung - Chance zur Weiterentwicklung
Jede Beziehung - und diese ganz besonders - gibt uns die Möglichkeit der emotionalen Reifung, die uns aufgrund ungünstiger Bedingungen in unserer Ursprungsfamilie nicht gelungen ist. Erkennen wir das nicht, dann wird uns das Leben immer wieder ähnliche Herausforderungen stellen, bis sich der Leidensdruck so weit erhöht, daß wir den Sprung ins kalte Wasser schaffen und unsere Angst überwinden. Selbstreflexion versetzt uns in die Lage Defizite als solche zu erkennen. Im nächsten Schritt geht es darum, verdrängte Anteile zu finden, sie anzunehmen und zu integrieren.
Wenn du betroffen bist und dich nach einer erfüllten Liebesbeziehung sehnst, dann hilft es dir nicht, die Aufmerksamkeit nach aussen auf den Partner zu richten. Die Aneignung von Wissen und Kenntnissen der Leitsymptome toxischer Persönlichkeitstypen ist nur ein verzweifelter Versuch, wieder Kontrolle über unerträglich werdende Beziehungssituationen zu gewinnen. Es ist der falsche Weg.
Solange bei dir das allein sein zu heftigen Verlustängsten führt und du nicht dazu fähig bist, dir selbst zu genügen, wirst du dieser ungesunden Beziehungsdynamik nicht entkommen. Der durch den wiederkehrenden Liebesentzug des Partners erzeugte hormonelle Gefühls-Coctail wird zur Droge! Schau dazu bitte mein Video: Intermittierende Verstärkung . Du verwechselst Sucht - das Brauchen der Substanz (in dem Fall des Partners) - mit tiefer, intensiver Liebe. Du glaubst, den Menschen, der dich immer wieder verletzt über alles zu lieben und ohne ihn nicht existieren zu können. Deshalb siehst du dich nicht dazu in der Lage, die Beziehung zu beenden. Das Ganze ist toxisch für dich geworden. Neben dem akuten emotionalen Leid entstehen Langzeitschäden deiner Psyche. Es entwickeln sich oft auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Verdauungsprobleme, chronische Rückenschmerzen und Autoimmunerkrankungen.
In einer solchen Beziehungskonstellation gibt es weder Opfer noch Täter. Das Leben hat zwei traumatisierte Menschen zusammengeführt und gibt ihnen damit eine Entwicklungschance - die Chance alte Wunden wahrzunehmen, zu heilen und emotional zu wachsen. Es kommt einzig und allein darauf an, ob du die Chance nutzt. Toxisch wird die Beziehung, wenn du bleibst, wie du bist und den Schmerz der Zurückweisung weiter still erträgst. Schmerz, Ablehnung und Liebesentzug sind dir vertraut. Sie bestätigen deine unbewussten Glaubenssätze über dich und über das, was dich in Beziehungen erwartet. Aber du hast es in der Hand, das zu ändern. Du kannst wahre Liebe für dich möglich machen, wenn du mutig durch deine Ängste gehst.
Ich kenne den Weg mit seinen Tücken und Fallstricken, weil ich ihn selbst gegangen bin. Seitdem habe ich viele Menschen dabei begleiten dürfen, ein sicheres Bindungsverhalten zu entwickeln. Wenn du möchtest kannst du von meinen Erfahrungen profitieren. Ich führe dich gern zu diesem wunderbaren Ziel.
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