Narzisstische Eltern – 10 Merkmale
Inhaltsübersicht
Ein Kind kennt nur seine eigene erlebte Realität. Sie formt sein Weltbild. Das Kind ist – zumindest bis zum 8.Lebensjahr – nicht dazu in der Lage diese Realität zu hinterfragen, geschweige denn sie kritisch zu betrachten. Deshalb fällt es vielen Menschen im späteren Leben schwer zu erkennen und zu akzeptieren, daß ihre Kindheit alles andere als optimal verlaufen ist und daß ihr als ganz normal erlebter Alltag negative Konsequenzen für die Entwicklung ihrer kindlichen Psyche hatte. Die Annahme dessen ist jedoch Voraussetzung dafür, um die entstandenen Defizite aufarbeiten zu können.
Narzisstische Eltern und ihre Verhaltensmuster
Gold-Kind und Schwarzes Schaf
Von narzisstischen Eltern wird – bewußt oder unbewußt – unter den Geschwistern ein Kind zum Liebling und Vorzeige-Objekt erwählt. Ein anderes übernimmt die Rolle des Sündenbocks und kann – ob es sich anstrengt oder nicht – den Erwartungen der Eltern nicht genügen. Das hat vielschichtige Gründe. Letztlich dient es aber immer der emotionalen Stabilisierung der Erwachsenen. Fatal ist es für beide Kinder. Das Gold-Kind ist in der Regel das anpassungswilligere und/oder es hat eine besonders hübsche und anziehende Ausstrahlung. Es eignet sich entsprechend gut zur Selbstaufwertung. Oft wird auch das Kind aus einer neuen Beziehung zum Gold-Kind gemacht, um sich des Gefühls des Scheiterns in der alten Beziehung zu entledigen. Ein solches Vorzeige-Kind verliert mit der Zeit den Kontakt zu den eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Später neigt es oft auch selbst zu narzisstischen Verhaltensweisen und ausgeprägter Egozentrik. Die Frustrationstoleranz ist schlecht entwickelt und es fühlt sich schnell überfordert. Ein Kind, was frühzeitig einen eigenen Kopf entwickelt und weniger bereit ist, sich den Normen anzupassen oder vielleicht sogar dazu neigt, den Erwachsenen herauszufordern und Anordnungen zu hinterfragen bzw. aus einer gescheiterten Beziehung stammt, wird gern in die Rolle des schwarzen Schafs gedrängt. Dieses Kind kann in den Augen der Erwachsenen nichts richtig machen. Eigene Frustrationen, Unzulänglichkeiten und Schamgefühle werden auf das Kind projiziert. So müssen sie nicht mehr gefühlt und wahrgenommen werden. Dieses Kind wird in der Regel recht schnell selbstständig. Es neigt im späteren Leben dazu Beziehungen einzugehen, die ihm die alten Kindheits-Verletzungen spiegeln. Es wählt oft Partner, die emotional nicht erreichbar sind und kämpft so unterbewußt weiter um die ihm verwehrte Liebe und Zuneigung der Eltern.
Überschreitung der Grenzen des Kindes
Der Erwachsene sieht das Kind als eine Art Verlängerung seines Selbst. Dadurch existieren die Grenzen des Kindes für ihn nicht. Er ist nicht in der Lage, das Kind als eigenständiges Wesen mit Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen wahrzunehmen, darauf entsprechend einzugehen und sie zu befriedigen. Deshalb hat das Kind oft auch keine Privatsphäre – und wenn, dann eine sehr begrenzte. Man verfügt je nach Lust und Laune über das Eigentum des Kindes und es besteht die Tendenz, sich bei Bedarf aufgrund der eigenen Bedürftigkeit, körperliche Nähe vom Kind einfach zu nehmen. Vor anderen Menschen spricht der Erwachsene vom Kind oft wie von eine Sache. Da das Kind als Verlängerung der eigenen Person wahrgenommen wird fehlen Verhaltenskorrekturen oder sie fallen extrem heftig und unangemessen aus.
Das Kind als Eigentum
Wenn sich narzisstische Eltern trennen instrumentalisieren sie ihr Kind oft im Kampf um Macht. Das Kind wird als Eigentum betrachtet. Auf diese Art und Weise wird über die Ressource Kind Vergeltung gesucht. Man verweigert dem Ex-Partner den regelmäßigen Kontakt, untergräbt direkt oder subtil dessen Autorität und Ansehen beim Kind oder vermittelt dem Ex-Partner Schuldgefühle. Vom Kind wird eine möglichst ungeteilte Liebe und Zuneigung erwartet. Erste Freundschaften mit dem anderen Geschlecht werden nahezu als Verrat empfunden und manchmal subtil untergraben. Auf der anderen Seite setzen solche Eltern aber alles daran, daß das Kind die Ziele, die sie festgelegt haben, auch erreicht. Das Motto lautet meist: “Du sollst es einmal besser haben, als ich.” Sie legen fest, was “besser” für das Kind bedeutet. Unausgesprochen vermitteln sie ihm damit gleichzeitig, daß es in ihrer Schuld steht.
Gaslighting
Man bezeichnet die Strategie, durch das (meist unbewußte) Erzeugen von Verwirrung und Verunsicherung mehr Macht und Kontrolle in einer Beziehung zu gewinnen, als “Gaslighting”. Der Erwachsene behauptet Dinge mit Überzeugung, die das Kind anders erlebt hat. Das Kind ist dadurch gezwungen, zu glauben, daß es seiner eigenen Wahrnehmung nicht vertrauen kann. So wird es für den Erwachsenen kontrollierbarer. “Ich weiß nicht wovon du redest.”, “Das ist nie passiert.” oder “Du hast eine lebhafte Fantasie.” könnten solche Äußerungen sein, die die Realität des Kindes in Frage stellen. Durch Selbstzweifel verliert das Kind zwangsläufig sein Selbstvertrauen. Aber auch schon die vom Kind beobachtete Diskrepanz zwischen Worten und Taten der Eltern oder der häufige Wechsel von Abwertung und liebevollen Handlungen und Nettigkeiten führt beim Kind zum Verlust des Selbstvertrauens. Es untergräbt beim Kind das Gefühl von Stabilität und Sicherheit. In diese Rubrik fällt auch die Projektion der Fehler, Schwächen und Schuldgefühle des Erwachsenen aufs Kind. All das wird getan – wenn auch in der Regel unbewußt – um die eigene Machtposition zu festigen. Fehler und Probleme werden so geschickt überspielt, was dem Erwachsenen auch zur Befreiung von einer inneren Schuldlast dient.
Manipulation
Eltern neigen dazu, die “Probleme des Kindes” mit Verwandten und Freunden auf eine Weise zu diskutieren, die sie in ein positives vorteilhaftes Licht rückt. Sie schaffen sich damit in zweierlei Hinsicht Sicherheit. Es dient der Verdrängung wahrer Beweggründe vor sich selbst und der Sicherstellung, daß dem Kind – falls es sich mit seinen Nöten an andere wendet – kein Glauben geschenkt wird. Das Kind wird damit in seiner Realität isoliert, was zu einem Gefühl von allein und “nicht richtig” sein führt.
Liebe für Leistung
Die Eltern lieben das Bild, das sie sich von ihrem Kind machen. Sie haben dieses Bild erschaffen und formen das Kind danach. Es sind vielleicht sportliche Höchstleistungen, die sie erwarten oder sie wollen ein Sprachgenie aus ihrem Kind machen. In jedem Fall werden die Neigungen und Wünsche des Kindes ignoriert, vernachlässigt oder sogar direkt abgelehnt. Bestrafung erfolgt über den Entzug von Dingen, die dem Kind am wichtigsten sind. Das Kind lernt, daß Liebe nur für Leistung und Anpassung zu bekommen ist. Ein solches Kind sucht sich als Erwachsener oft ein Umfeld, was diesem Glaubenssatz entspricht. Es wird Partner wählen, die emotional nicht erreichbar sind und um die es permanent kämpfen muß.
Physische Gewalt, um Respekt zu erlangen
Angst bindet ein Opfer an den Täter. Kinder, die körperliche Gewalt erfahren haben, verknüpfen unterbewußt Respekt mit Angst. Als Folge dessen haben sie ungeheilt ein Leben lang Schwierigkeiten mit Obrigkeiten. Entweder sie geraten mit ihnen ständig in Konflikt oder sie gehen entsprechenden Situationen komplett aus dem Weg, was sie in ihrer Entwicklung und Lebensplanung massiv einschränken kann. Aufgrund der unbewußten Verknüpfung von Liebe und Schmerz landen sie immer wieder in schmerzhaften Beziehungen und können nur dann ein Gefühl von Liebe empfinden, wenn sie verletzt und mißbraucht werden.
Du bist für meine Gefühle verantwortlich
Liebe ist bei narzisstischen Eltern an Bedingungen geknüpft. Sie wird entzogen – oft subtil und passiv agressiv -, wenn das Kind den Erwartungen der Eltern nicht entspricht. Das Kind erlebt Situationen, in denen es glaubt nicht okay / nicht richtig zu sein. Dabei werden nicht die Handlungen des Kindes in Frage gestellt, sondern sein ganzes Wesen. Botschaften, die das Kind erhält sind: “Du bist faul.” “Du bist dumm.” oder “Du bist schlecht.” Daraus resultieren Gefühle von Scham, von Fehlerhaftigkeit und Wertlosigkeit. Sie sind Hauptursache für spätere Probleme mit Nähe und Intimität in Partnerschaftsbeziehungen.
Unfähigkeit zur Selbstreflexion
Aufgrund der fehlenden Selbstreflexion sind narzisstische Eltern nicht dazu in der Lage, ihre Reaktionen und Handlungen zu hinterfragen und wenn nötig zu korrigieren. Aufgrund dieser emotionalen Unreife können sie sich für Fehlverhalten nicht entschuldigen. Menschen mit ausgeprägt narzisstischen Zügen sind nicht dazu fähig, sich empathisch in andere einzufühlen. Sie haben sich eine Art Parallel-Realität errichtet, in der sie abgeschirmt vom Rest der Welt leben.
Siehe: www.katikoerner.de/wenn-dem-partner-empathie-fehlt/
Schuldzuweisungen
Unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte werden unbewusst auf das Kind projiziert. Setzt es ihre Träume nicht um, wird es mit Vorwürfen konfrontiert, um Mitleid zu erzeugen: “Ich hab alles für dich getan und mein Leben geopfert.” ist der Grundtenor, den das Kind zu spüren bekommt. So wird es abhängig gehalten, weil es sich ihnen gegenüber in der Schuld fühlt. Narzisstische Eltern setzen alles daran, die emotionale Abhängigkeit des Kindes auch im erwachsenen Alter aufrecht zu erhalten.
Narzisstische Eltern – was kannst du als Betroffener tun?
Das Erkennen und Annehmen der Situation selbst ist ein erster Schritt in Richtung Heilung. Die Akzeptanz der Tatsache, dass deine Kindheit nicht optimal verlaufen ist, wird in dir wahrscheinlich anfangs Schmerz oder sogar Widerstand erzeugen. Lasse diesen Schmerz zu! Nimm dir die Zeit, die du brauchst, dich mit deiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Habe Mitgefühl mit dir selbst. Suche dir Hilfe und Unterstützung, wenn Widerstände aufkommen oder wenn du fest steckst. Es ist ganz besonders wichtig, dass du dich bewusst in der Selbstwahrnehmung übst. Wahrscheinlich fällt dir das sehr schwer. Es wurde dir nicht vorgelebt. Setze dir kleine, realistische Ziele. Ein weiterer Blog-Artikel wird dir helfen zu erkennen, wo deine konkreten Schwachpunkte liegen, an denen du arbeiten kannst:
https://www.katikoerner.de/zuege-und-muster-eines-kindes-narzisstischer-eltern/
Eine stabile, zuverlässige und erfüllte intime Beziehung ist möglich, wenn du entschlossen daran arbeitest. Du kannst deinen Kindern dann ein gesünderes Bild von Liebe und Beziehung vorleben.
Wenn du oben genannte Verhaltensweisen in dir selbst erkennst, dann hast du gerade den ersten Schritt in Richtung positiver Veränderung unternommen: Du reflektierst dich und dein Verhalten. Das verdient den allergrössten Respekt, denn es erfordert ziemlich viel Mut. Du hattest Eltern, die dazu nicht in der Lage waren. Sie konnten dir nicht das geben, was du für eine gesunde emotionale Entwicklung gebraucht hättest. Sicher ist das im ersten Moment eine sehr traurige Erkenntnis, vielleicht sogar ein Schock. Bedenke aber – du hast die Möglichkeit das erneute weiter reichen dieser emotionalen Defizite zur nächsten Generation zu verhindern. Das ist den schwierigen Weg, der vor dir liegt, sicher wert. Und da draussen gibt es Hilfe und Unterstützung, wenn du sie brauchst. Ergreife diese Chance.
Mit der Zeit wird es sich so anfühlen, als ob du aus dem Nebel ins Licht trittst. Es wird für dich unvorstellbar sein, in die alten ungesunden Muster zurück zu kehren. Du wirst dich vitaler und ausgeglichener fühlen und die Beziehungen zu anderen Menschen endlich genießen können.
Das Buch ist auch im tredition SHOP erhältlich (lieferbar)