Angst vor Hingabe

Hingabe beschreibt den Zustand des sich Bekennens zu einer Sache oder Person.

Das englische Wort Commitment impliziert die Fähigkeit und Bereitschaft Bindungen einzugehen, die immer auch Verpflichtungen mit sich bringen. Je ausgeprägter die vermeidenden bzw. narzisstischen Muster, desto schwächer ist der Wille sich emotional zu binden. Der Wunsch, Energie in eine Sache zu investieren entsteht aus einem Gefühl von Verbundenheit mit ihr. Je klarer das Bekenntnis, desto uneingeschränkter ist der Wunsch sich dieser Sache / diesem Menschen emotional und körperlich zuzuwenden.

Angst vor Hingabe – Angst sich zu bekennen

Wenn du Schwierigkeiten hast, dich voll und ganz zu etwas zu bekennen, stelle dir bitte diese Frage: Welche negative Konsequenz erwarte ich, wenn ich mich / meine Energie in diese Sache einbringe? Die meisten Ängste (wenn nicht sogar alle) kann man auf die Angst etwas wichtiges zu verlieren reduzieren. Wenn du z.B. befürchtest, dass du dir durch die Bekenntnis zu etwas Konflikte an Land ziehst, dann hast du Angst davor, deinen inneren Frieden zu verlieren. Es ist ein Indiz dafür, dass auch der Begriff Konflikt negative Assoziationen in dir erzeugt.

Angst vor Hingabe – Ursachen und Merkmale

Die Angst, in eine Falle zu geraten und deine Freiheit zu verlieren, ist Hauptursache für die Schwierigkeiten, die du damit hast, dich zu etwas zu bekennen.

Du hast das unbewusste zwanghafte Bedürfnis dir ein Gefühl von Sicherheit durch Flucht zu verschaffen. Deshalb schreckst du vor Entscheidungen zurück. Du hast Angst davor, weil du glaubst, durch eine Entscheidung Optionen zu verlieren und glaubst durch eine falsche Entscheidung in den Konsequenzen festzustecken. Das ist deine persönliche, unterbewusste Definition von Versagen.

Diese Angst hat ihre Wurzeln in der Kindheit. Unter idealen familiären Bedingungen spüren Kinder, dass sie bedingungslos geliebt werden und dass sie auch dann noch willkommen sind und nicht verstossen werden, wenn sie sich einmal schlecht verhalten haben. Sie bekommen von ihren Bezugspersonen vermittelt, dass sie nicht perfekt sein müssen, um geliebt und angenommen zu werden. In das Unterbewusstsein dieser Kinder kann sich die Angst davor, aufgrund von Fehlerhaftigkeit verlassen zu werden, somit nicht einschleichen.

Es gibt leider auch viele Kinder, die frühzeitig mit einer anderen Botschaft konfrontiert werden: “Du musst perfekt sein, und zwar so, wie ich es für dich definiere, damit ich dich lieben und annehmen kann.”

In dieser familiären Atmosphäre wird Verantwortungsübernahme zur Bedrohung, denn Verantwortung zu übernehmen bedeutet, sich immensem Druck zu unterwerfen. Diese Kinder verknüpfen Verantwortungsübernahme unbewusst mit Druck. Für sie bedeutet das Übernehmen von Verantwortung, dass sie extrem viel auf’s Spiel setzen. Diese kindlichen Erfahrungen und unterbewussten Verknüpfungen sind die Ursache der Vermeidung von Hingabe und Verantwortung.

Menschen, die Probleme damit haben, sich zu etwas zu bekennen sind in einer wenig einfühlsamen Atmosphäre aufgewachsen. In ihren Familien waren Kontrolle, Disziplin und Anpassung der Grundtenor. Sie haben dehalb gelernt, vorsichtshalber immer einen Fuss in der Tür zu lassen, weil sie einer Bezugsperson nicht vertrauen konnten. Sich ganz hinzugeben wäre zu gefährlich gewesen. Sie waren (und befinden sich als Erwachsene) in anhaltenderer emotionaler Panik. Daraus resultiert die überbetonte Wertschätzung des Gefühls frei und unabhängig zu sein. Generell gehen sie mit einer hohen Erwartungshaltung an sich selbst und andere durchs Leben.

Besonders bei der Angst vor Hingabe zu einem Partner gilt:

Das Mass an Freiheit ist für sie gleichzeitig ein Mass für den Grad ihrer Sicherheit.

Menschen, die Angst vor der Bekenntnis zu einem Partner haben, sehnen sich nach einer tiefen Verbindung zu einem Menschen, auf den sie sich ganz und gar verlassen können. Sie haben auch ein Bedürfnis nach Intimität. Aber sie fürchten das Verlassen werden und/oder das Verschlungen werden so sehr, dass sowohl der Gedanke den Partner als auch der Gedanke sich selbst zu verlieren sie dazu bringt, in einen Zustand der Erstarrung zu fallen.

Erstarrung dient als Strategie, um Sicherheit zu gewinnen, wenn Liebe und Bindung in einem Menschen Kontrolle impliziert.

Betroffene hatten Eltern, die (meist unbewusst) in erster Linie ihre eigenen Interessen im Sinn hatten, nicht die Interessen des Kindes. Das Kind hat sich wiederholt emotional und/oder physisch unsicher gefühlt, sodass es Überlebensstrategien entwickeln musste. Um die Kontrolle behalten zu können hat das Kind gelernt, sich immer einen Fluchtweg offen zu halten. Genau das tun diese Menschen in ihren erwachsenen Beziehungen auch:

Sie haben immer eine Fluchtmöglichkeit parat und vermeiden es, klare Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Umgesetzt wird das oft auf eine passiv aggressive Art und Weise. Körperliche und emotionale Erstarrung ist ihr Weg, um die Kontrolle zu behalten. Dagegen ist ein Gegenüber machtlos. Es kann absolut nichts tun, wenn es sich mit diesem bewegungs- und emotionslosen Zustand konfrontiert sieht.

Erstarrungsmuster und die Weigerung Entscheidungen zu treffen dienen dazu, ein Gefühl von Sicherheit zu gewinnen.

Betroffene erstarren dann, wenn ihr Überlebensmechanismus getriggert wird und sie sich nicht zwischen Kampf und Flucht entscheiden können. Sie sehen in Angst auslösenden Situationen keinen anderen Ausweg. Das hat wiederum die Tendenz zu Folge Dinge zu verschieben, die unangenehme Gefühle verursachen. Im Laufe der Jahre entwickeln Menschen mit diesem Bindungstrauma oft zwei Zustände. Entweder leben sie immer kraftloser dahin oder sie verfallen in ein zwanghaftes Tun.

Angst vor Hingabe – Lösungen

Um deine Angst vor Hingabe zu lösen brauchst du die Bereitschaft, dich ihr zu stellen.

Mache dir zunächst einmal klar, dass du dich täglich Dingen hingibst. Du gibst deine Energie jede Sekunde in irgend etwas. Die Frage ist, in was gibst du sie? Ein Mensch, der sich nicht zu einer Beziehung bekennt trifft z.B. eine Entscheidung für Unabhängigkeit. Ein Mensch, der Dinge verschiebt bekennt sich dazu, sich mit anderen Sachen abzulenken. Und ein Mensch, der sich weigert Entscheidungen zu treffen, hat die Entscheidung getroffen keine Verantwortung zu übernehmen. D.h.:

Jedes mal, wenn du es ablehnst, dich zu einer Sache zu bekennen, gibt es etwas anderes, zu dem du dich bekennst.

Das liegt dann meist genau am anderen Ende der Skala. Nimm dir Zeit herauszufinden, wozu du dich unbewusst bekennst. Wofür hast du dich tatsächlich entschieden? Sind das die Dinge, zu denen du dich bewusst bekennen willst?

Frage dich: Wozu möchte ich mich bekennen? Diese Frage untermauert deinen freien Willen. Sie erzeugt keinen Druck, wie die Frage: “Wozu sollte ich mich bekennen (wollen)?”

Werde dir der negativen Auswirkungen der Weigerung, dich zu etwas zu bekennen bewusst. Nimm den Aspekt in dir, der Angst vor Hingabe hat an. Zeige ihm deine Liebe und bringe ihm Verständnis entgegen. Dieser Aspekt in dir wurde unter Druck gesetzt und kontrolliert. Deshalb spürt er den Drang, sich in Sicherheit zu bringen. Wenn du diesem Aspekt mit Ablehnung und Widerstand entgegen trittst, ihn mit Zwang verändern willst oder ablehnst, dann kontrollierst du dich damit selbst. Du würdest dir selbst gegenüber passiv aggressiv handeln.

Habe stattdessen Mitgefühl mit ihm. Dann wird er sich freiwillig bewegen, weil er spürt, dass du das Beste für ihn willst und das wird zu einer inneren Transformation führen.

Werde dir der Dinge bewusst, die du willst, statt dich auf das zu konzentrieren, was du nicht willst. Wenn du Angst vor Hingabe hast, dann neigst du zu Vermeidung. Dein Fokus richtet sich mehr auf das, was du nicht willst. Wenn du inneren Widerstand spürst, dann finde heraus wovor du gerade flüchten willst. Nutze es, um herauszufinden, was du stattdessen in diesem Moment brauchst und bekenne dich dazu. Richte deine Energie in diese Richtung.

Wenn die Angst vor Hingabe an einen Menschen eine grosse Rolle spielt könntest du dich zunächst zu einem Teil dessen, was die Beziehung zu dieser Person ausmacht bekennen. Z.B.: “Ich werde mit meinem Partner täglich offen kommunizieren.”

Werde vertraut mit deinen Bedürfnissen und erfülle sie dir. Deine Bedürfnisse sind dir zum Feind geworden, wenn du in einer Atmosphäre von Kontrolle aufgewachsen bist. Deshalb hast du die Neigung, Bedürfnisse zu unterdrücken und nicht zu kommunizieren. Du gehst vielleicht sogar so weit, sie nicht nur vor anderen sondern auch vor dir selbst zu leugnen. Beziehungen brauchen aber ein gegenseitiges Verstehen und Einfühlen. Gute Beziehungen bedeuten alles andere als Kontrolle. Sie leben von gegenseitiger Unterstützung, in der die Bedürfnisse beider berücksichtigt und befriedigt werden.

Wenn du deine Bedürfnisse verleugnest und auf der anderen Seite die deines Partners befriedigen sollst, dann wirst du dich durch ihn unter Druck gesetzt und kontrolliert fühlen. Du bemerkst dabei nicht, dass du ihm überhaupt keine Chance gibst, dir deine Bedürfnisse ebenso zu erfüllen.

Komme wieder in den Kontakt mit deinen Gefühlen. Menschen, die Angst vor Hingabe haben glauben, dass sie die emotionale Verbindung zum Partner immer wieder durchtrennen müssen, um Kontrolle und Sicherheit zu behalten. Deshalb fühlt sich eine Beziehung mit ihnen ziemlich nüchtern oder aber wie eine Achterbahnfahrt an.

Beschäftige dich intensiv mit Gefühlen des gefangen, eingesperrt oder eingeengt seins. Du bist aufgrund dieser Gefühle gezwungen, emotionale Situationen zu dämpfen, um vermeintlich zu erwartenden Schmerz vorzubeugen. Dein Wille zu fühlen (einschliesslich der Annahme von Schmerz) kann die ungesunden Vermeidungsmuster stoppen. Sie können dann dein Leben nicht mehr regieren und unterbewusst steuern.

Noch hast du keine gute Selbstwahrnehmung und neigst dazu, dich selbst zu belügen. Damit versuchst du die Auseinandersetzung mit tieferen Wahrheiten zu umgehen. Wenn du dich auf deine Gefühle einlässt wird das reale, ehrliche Wahrheiten aufdecken.

Das sind die Wahrheiten, die dir helfen werden, ein Leben zu leben, was du wirklich willst, weil es authentisch ist.

Erforsche deine Vorstellung von Perfektion, damit du diese Idee loslassen kannst. Erkenne, dass dich dein innerer Kritiker zwar in Sicherheit bringen will, aber damit dein Leben zerstört. Perfektionismus geht immer mit Kritiksucht Hand in Hand. Du kannst dein Leben nicht richtig oder falsch leben. Das sind Beurteilungen, je nach persönlicher Perspektive. Und du wirst auch keinen perfekten Partner finden. Der Grund dafür, dass  du mit allem haderst ist die alte Angst, die du lösen kannst, wenn du sie bereit bist sie anzuschauen.

Liebe ist das Gegenteil von Angst. Richte den Fokuss bewusst auf das Positive der Menschen bzw. Dinge, zu denen du dich bekennen willst.

Übe dich in Meditation. Sie kann dir dabei helfen dein überreiztes Nervensystem zu beruhigen, das die vermeidenden Tendenzen und Fluchtimpulse bedingt. Meditation hilft dir zu lernen, mit dem was gerade ist absolut präsent zu sein.

Am Besten geeignet dazu ist Mindfulness Meditation (the observer self).

Arbeite an deinem Selbstkonzept. Menschen, die Angst davor haben verlassen zu werden und sich deshalb nicht zu einem anderen Menschen bekennen wollen haben ein schlechtes Selbstbild. Aber wenn du deine Energie nie ganz auf eine Sache richtest, dann erzielst du auch keine guten Ergebnisse, die ein gutes Selbstgefühl zur Folge haben. Wenn du dich zu etwas wahrhaft bekennst wird das deinen Selbstwert verbessern.

Wenn du diese Angst vor Hingabe hast, dann hat das gute Gründe. Du hast in der Kindheit Selbstschutzstrategien entwickelt, um zu überleben. So zu bleiben ist dein gutes Recht. Es macht dich nicht zu einem schlechten Menschen. Aber bedenke, dass jede Form von Bekenntnis und Hingabe Risiken mit sich bringt. Auch die Hingabe dazu, dich zu NICHTS zu bekennen, weil es gar nicht möglich ist.

Du wirst, wie jeder von uns eines Tages diese Erde wieder verlassen. Du bist aber gewiss nicht hier, um möglichst sicher zu diesem Tag zu gelangen. Risiken gehören zu unserem Leben dazu. Bedenke, dass du auch dann ein Risiko eingehst, wenn du so bleibst, wie du bist. Es ist das Risiko nicht wirklich in vollen Zügen gelebt zu haben. Wenn du dich hier wiedererkennst findest du hier weitere wertvolle Hinweise.

Siehe auch:

https://youtu.be/ysqeD10WRJw

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