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Beziehungsprobleme und Bindungsverhalten

Bindungsverhalten und Bedeutung

Unser Bindungsverhalten entsteht in den ersten Lebensjahren. Es ist abhängig von der Art der Beziehung, die wir zu unseren engsten Bezugspersonen hatten. Die Vergangenheit existiert real zwar nicht mehr. Doch in unseren Gedanken und in den unterbewußt gespeicherten Erinnerungen finden wir nach wie vor die Auswirkungen unserer Kindheitserfahrungen.

Die Art, wie wir uns binden, beeinflußt entscheidend die Qualität unserer Beziehungen. Sie hat Einfluß darauf, wie wir uns in Beziehungen fühlen und verhalten. Aber nicht nur das. Wir reinszenieren in erwachsenen Beziehungen unbewußt das, was uns aus unserer ersten Liebesbeziehung, der zu den Eltern, vertraut ist. Vor ein paar Jahrzehnten entwickelte Mary Ainsworth die sogenannte Bindungstheorie. Sie brachte dafür Kinder in ungewohnte Situationen und beobachtete ihr Verhalten. Das Kind befand sich anfangs in Interaktion mit der Bezugsperson in einem Zimmer. Dann forderte sie die Bezugsperson auf, das Zimmer zu verlassen und dokumentierte die Reaktionen und Verhaltensweisen des Kindes. Das Gleiche tat sie nochmals, wenn die Bezugsperson den Raum wieder betrat. Wie versuchte das Kind wieder in Kontakt zu gehen? Wie schnell wurde es wieder warm mit der Mutter? Die jeweiligen Verhaltensweisen repräsentieren den Bindungs-Stil, den das Kind entwickelt hatte. Die Art wie wir uns in der Kindheit mit unseren Eltern verbunden gefühlt haben und welche individuellen Verhaltensstrategien wir entwickelt haben beeinflußt unsere Beziehungen im Erwachsenenalter maßgeblich. Das ist so, weil wir unsere erwachsenen Beziehungen unterbewußt dazu nutzen, unsere Kindheitsbeziehungen zu den Eltern zu "erfüllen" und zu heilen.

Unsere romantischen Beziehungen als Erwachsene spiegeln die Art und Weise, wie wir uns mit unseren Eltern verbunden gefühlt haben. Wenn wir uns also in der Kindheit (aufgrund unserer Abhängigkeit von den Eltern in Bezug auf unsere Bedürfnisbefriedigung) einen unsicheren Bindungs-Stil angeeignet haben, dann macht das in unseren Erwachsenenbeziehungen Schaden, ohne daß wir uns dessen bewußt sind und ohne daß wir darauf irgend einen Einfluß haben.

Die vier Bindungs-Stile

Sicherer Bindungs-Stil

Ca. 50% der deutschen Bevölkerung haben ein sicheres Bindungsverhalten. Was zeichnet diese Menschen aus? Sie fühlen sich in Beziehungen sicher und wohl, brauchen sie aber nicht zwangsläufig für ihr Lebensglück. Sie können sich abgrenzen und behalten ihre eigene Identität in Beziehungen, so wie sie die des Partners auch respektieren. Sie erlauben dem Partner genügend (Frei-)Raum und es gibt keine Verschmelzungs-Tendenzen. Jeder Partner bewahrt sich sein Ich-Gefühl. Ein sicher gebundener Mensch erfährt den Partner als schöne Bereicherung des eigenen Lebens, ohne von ihm abhängig zu sein. Diese Menschen sind in der Lage für sich klare Grenzen zu setzen und ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Sie sind entspannt und fühlen sich vom Partner akzeptiert und geliebt.

Die anderen 3 Bindungs-Stile sind unsicher und führen zu schwierigen, Problem-beladenen Beziehungen bzw. häufigen Beziehungsabbrüchen.

Ängstlich überinvolvierter Bindungs-Stil

Der ängstlich überinvolvierte Bindungs-Stil entsteht, wenn Eltern in der Kindheit aus Unfähigkeit oder umständehalber nicht in der Lage waren, dem Kind verläßlich emotionale Zuwendung zu geben. Eltern waren nur zeitweise zugewandt und liebevoll (z.B. durch lange Abwesenheit, eigene emotionale Probleme, Krankheit etc.) oder 1 Elternteil war sehr liebevoll und der andere nicht. In jedem Fall ist die Inkongruenz hinsichtlich emotionaler Zuwendung die Ursache der Entstehung dieses Bindungsverhaltens. Das Kind weiß nie genau woran es ist und ob es seine emotionalen Bedürfnisse nach Nähe und Zuwendung befriedigt bekommt. Daraus entwickelt sich eine starke Verlustangst und eine generalisierte Angst in Bezug auf Beziehungen. Als Erwachsene sind solche Menschen in ihren Beziehungen immer besorgt. Unterbewußt fühlen sie sich der Liebe nicht würdig und haben Angst vor Ablehnung. Es fällt ihnen schwer, dem Partner Raum zu geben, weil es ihre Verlustängste triggert. Sie sind oft in Sorge, daß etwas passiert, der Partner nicht mehr nach Hause kommt oder untreu wird. Daraus entsteht die Neigung, den Partner zu kontrollieren (sie sind manipulativ, rufen oft an, senden Nachrichten usw..) Diesen Menschen fällt es sehr schwer, sich selbst zu beruhigen. Ihre Identität projezieren sie stark in die Partnerschaft und jeder kurzfristige Verlust von Verbindung wird als Verlust der Zuneigung und Liebe des Partners interpretiert. Für mehr Info siehe Blog Artikel Ängstlich überinvolviertes Bindungsverhalten

Ängstlich vermeidender Bindungs-Stil

Der ängstlich vermeidende Bindungs-Stil ist der schwierigste Bindungs-Stil, weil durch dieses Verhalten in Beziehungen sehr viel emotionales Chaos entsteht. Er bringt zwei Extreme hervor und es herrscht in diesen Beziehung eine ausgeprägte Ambivalenz. Die Betroffenen zeigen zeitweise ängstliches Bindungsverhalten (Verlustangst, Sorge, Unsicherheit, Unfähigkeit sich zu beruhigen) und zeitweise abweisend vermeidende Bindungstendenzen, die später noch erläutert werden. Sie haben Angst vor Verlust und im nächsten Moment Angst vor Nähe. So schwingt das Pendel zwischen Nähe und Distanz in ihren Beziehungen ständig hin und her, was emotionale Aufruhr und regelrechtes Chaos erzeugt. Es gibt heftige Reaktionen in Richtung Abwehr und in Richtung Wiederherstellung von Nähe. Das führt dazu, daß sie in ihren Beziehungen nie richtig ankommen können und sich nicht geerdet und sicher fühlen, obwohl sie sich danach sehnen. Es  entsteht ein ständiges hin und her zwischen dem Gefühl der Angst vor Verlust und dem Gefühl der Angst von Nähe erdrückt zu werden. Wohl fühlen können sich solche Menschen nur in einem sehr schmalen Bereich und für kurze Zeit. Gedanken, wie "Sollte ich gehen oder sollte ich bleiben" verfolgen sie. Menschen mit diesem Bindungs-Verhalten haben generell ein Vertrauensproblem. Es resultiert aus ihrer Kindheit, in der sie eine ähnliche emotionale Aufruhr auch erlebt haben. Und deshalb vertrauen sie Menschen nicht wirklich. Das führt dazu, daß sie (unterbewußt gesteuert) immer wieder künstlich Raum erzeugen, um ihr Bedürfnis nach Eigenständigkeit und Unabhängigkeit wahren zu können. Gleichzeitig besteht eine tiefe Sehnsucht nach Liebe und Verbindung. Sie hatten als Kind ein Zuhause, in dem sie sich nicht immer sicher fühlen konnten und sie haben sich von ihren Bezugspersonen nicht stabil geliebt gefühlt. Liebe war an Bedingungen geknüpft. Für mehr Info siehe Ängstlich vermeidendes Bindungsverhalten

Abweisend vermeidender Bindungs-Stil

Menschen mit abweisend vermeidendem Bindungs-Stil haben sich als Kind generell verlassen und allein gefühlt. Oft hatten sie Eltern, die selbst emotional nicht erreichbar waren. Es bestand vielleicht materielle Sicherheit, aber die Eltern waren nicht fähig, die emotionalen Bedürfnisse des Kindes ernst zu nehmen und zu befriedigen. Das Kind hat gelernt Gefühle als "nicht richtig" einzuordnen und sie zu unterdrücken. Manche dieser Kinder wurden auch buchstäblich physisch für lange Zeit allein gelassen und entwickelten dadurch dieses Bindungsverhalten. Die Hauptwunde ist hier das verlassen sein. Diese Menschen sehen emotionale Verletzlichkeit als höchste Gefahr und haben sie unterbewußt mit dem Gefühl von Ablehnung gekoppelt. Sie lassen sich in Folge dessen von vorn herein auf keinen anderen Mensche zu nahe ein. Sie glauben unbewußt: "Es  bringt nichts, jemandem nahe zu sein. Dadurch werde ich verletzt." Als Erwachsene benötigen sie viel Raum und Zeit für sich allein. So fühlen sie sich sicherer. Menschen mit abweisend vermeidendem Bindungs-Stil können sich sehr gut selbst beruhigen. Sie befriedigen ihre Bedürfnisse mehr über materielle Dinge (Computer, Fernsehen, Essen, Video-Spiele, Pornografie usw.), d.h. sie tun Dinge als Kompensation. Als Kind haben diese Menschen gelernt sich durch materiell-dingliches zu beruhigen, wenn die Eltern emotional oder physisch abwesend waren. Ihr Vertrauensproblem ist weniger stark ausgeprägt. Sie haben jedoch große Schwierigkeiten sich zu öffnen. Deshalb erschöpft es sie, viel um Menschen herum zu sein. Sich festzulegen fällt ihnen extrem schwer. Es ist für sie eine Last. Unterbewußt entsteht Groll gegenüber Menschen, die ihre Zeit und Zuwendung beanspruchen, denn ihr Leitsatz ist: "Du bist für deine Bedürfnisse verantwortlich und ich bin für meine Bedürfnisse verantwortlich." Es fällt ihnen sehr schwer, Liebe anzunehmen und zu geben, weil das ein befremdliches unbekanntes Konzept für sie ist. Für mehr Info siehe Abweisend vermeidendes Bindungsverhalten

Wenn wir unser Bindungsverhalten nicht kennen, führt das oft zu Chaos und Mißverständnissen in unseren erwachsenen Beziehungen. Es gibt Wege und Möglichkeiten das zu ändern und ein sicheres Bindungsverhalten zu erlernen. Der erste Schritt ist zu erkennen, was die eigenen Glaubensmuster auf einem unterbewußten Level sind. Dann gibt es Werkzeuge, Strategien und Hilfsmittel, die helfen, die alten Verletzungen zu heilen und ungesunde Verhaltensmuster zu verändern.

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