Narzissmus & Shared Fantasie
Inhaltsübersicht
Narzissmus – Prägungsbedingungen
Pathologische Narzissten sind das traurige Resultat von Entwicklungstraumata. Vernachlässigung und frühkindlicher Mißbrauch kann viele Gesichter haben. Leider herrscht immernoch viel Unwissenheit darüber, welche elterlichen Verhaltensweisen das gesunde emotionale Wachstum eines Kindes beeinträchtigen. Besonders Instrumentalisierung, Idealisierung, Überbehütung, Vereinnahmung, Gaslighting und Parentifizierung schaden langfristig der kindlichen Psyche.
Studien legen folgendes nahe: Ein Kind, das später zu einem pathologischen Narzissten heranwächst sieht sich mit konträren elterlichen Botschaften konfrontiert. Sie entstehen besonders in Haushalten mit einem emotional abwesenden, cholerischen Vater und einer anspruchsvollen Mutter , die ihr Kind als Partnerersatz und emotionale Stütze sieht. Das Kind leidet unter den Ausbrüchen des reizbaren Vaters, der ihm seinen Wert aberkennt (“Du bist ein Nichtsnutz.”). Es klammert sich deshalb an die Botschaften seiner kontrollbedürftigen Mutter, die im Stillen das schlechte Gewissen plagt, weil sie ihrem Kind einen solchen Vater zumutet. Mit der Botschaft “Du bist ein Engel.” versucht sie sich unbewußt selbst zu beruhigen und einen Ausgleich zu den harschen Worten des Vaters zu schaffen. Die Liebe dieser Mutter fühlt sich für das Kind aber nicht gut an. Es spürt den Druck und die Unfreiheit, die sie mit sich bringt.
Narzissmus – Pathologische Trauer
Ein Kind, das später ein pathologischer Narzisst wird entscheidet sich für eine besonders kreative Abwehrstrategie: Es flüchtet in eine Fantasiewelt und sucht Trost bei einem allmächtigen perfekten Freund. Er ist alles, was das Kind glaubt nicht zu sein. Doch die Tatsache, dass es anderen Menschen und der Realität den Rücken zukehrt versetzt es in einen chronischen Trauerzustand. Es trauert um sein verloren gegangenes Potenzial. Auch im DSM Ausgabe5 wird erklärt, dass pathologischer Narzissmus einer Major Depression ähnelt.
Im Laufe der Zeit identifiziert sich das Kind mehr und mehr mit dem Konstrukt seiner Fantasie. Dieses falsche Selbst wird zum Puffer zwischen dem sich gerade erst entwickelnden Ich und der realen Welt. Es verhindert, dass es sich weiter an der Realität reiben kann, sodass es verkümmert und funktionsunfähig bleibt. Mit der Außenwelt interagiert nur noch dieses Konstrukt. Es übernimmt mit der Zeit alle Ich-Funktionen. Das Ergebnis:
Der pathologische Narzisst zeigt seiner Umgebung dieses falsche Selbst, eine Fassade der Unverletzlichkeit und Souveränität, während tief im Inneren ein traumatisiertes, verwundetes, verängstigtes und trauerndes Kind haust, das sich wertlos, inadequat und unterlegen fühlt. Pathologischer Narzissmus ist ein kompensatorischer Zustand, der diese innere Welt verbirgt.
Narzissmus – Shared Fantasie
(Konzept nach Prof. Sam Vaknin / Autor des Buches “Malignant Selflove – Narcissism revisited”)
“Misery seeks company.”:
Um seine elende Situation erträglich zu machen braucht der pathologische Narzisst dich als Partner, den er mit seiner Trauer infizieren kann und der bereit dazu ist, sich seinem Schmerz, seiner Wut und seiner negativen Affektivität auszusetzen. Diese toxische Umgebung vergiftet dich und dieses Gift vereinnahmt mit der Zeit jede Zelle deines Körpers. Wenn du dieser Atmosphäre ausgesetzt bist, dann ist das in sich selbst schon traumatisierend. Seine Trauer traumatisiert dich!
In der unmittelbaren Nähe eines Menschen zu leben, der in der frühen Kindheit negiert wurde und der zur Abwesenheit geworden ist, das macht deine Psyche kaputt. Es ist ein sekundäres Trauma (vicarious trauma). Du erkennst es an deiner zunehmenden emotionalen Dysregulation, die neben Dissoziation und unsicherem Bindungsverhalten ein Trauma Leitsymptom ist. Wenn du viel Zeit mit einem pathologischen Narzissten verbringst färbt sein Schmerz auf dich ab. Er beeinflusst dich, unterdrückt dich und verzehrt deine Energie.
Du verlierst an Lebenskraft, glaubst zusammenzuschrumpfen und mit ihm zu sterben, denn er hat eine tote Ausstrahlung und wurde von seinen Eltern zum Objekt gemacht. Und nun behandelt er sich selbst und alle anderen um ihn herum als leblose Objekte. Wenn du unter diesem Dauerstress stehst löst das in dir Symptome einer kPTBS aus. Du bist instabil und erkennst dich nicht mehr wieder. Aber warum kontrolliert und unterwirft er dich auf diese Weise?
Weil ihn innere Prozesse dazu zwingen sein Trauma und die Vergangenheit neu zu inszenieren. Dem Leben hat er sich abgewandt, weil man sich von ihm in der Kindheit abgewandt hat. Er hat die Ansichten seiner Bezugspersonen internalisiert. Er tut das nun selbst. Weil Mutter und Vater immer Recht haben hat er einen Wiederholungszwang entwickelt und versucht zum wiederholten Mal alte Konflikte zu lösen und den Verlust der Mutter zurückzudrehen.
Er braucht dich als Mutterersatz, um seine Kindheit erneut durchzuspielen. Mit deiner Hilfe schafft er eine gemeinsame Fantasie, einen Trauma-Raum, der sehr differenzierte Elemente einer Mutter Kind Interaktion beinhaltet. Zunächst gibt es in dieser Shared Fantasie eine ideale Mutter (dich) und ein ideales Kind (den Narzissten). Zuerst kommuniziert er dir die kindlichen Aspekte seines Traumas und verhält sich wie ein ideales liebenswertes Kind – mit der Erwartung, dass du dich bereitwillig wie eine ideale bedingungslos liebende Mutter verhältst. Er idealisiert dich und du idealisierst ihn (Co-Idealisierung). Das ist die Ausgangssituation und die Bühne für eine Wiederaufführung dessen, was in der Kindheit zwischen ihm und seiner Mutter passiert ist. Du wurdest als ein Ersatz angeheuert, um mit ihm diese Zeitreise in seine Kindheit zu machen. Deshalb mußt du nun aber auch ein Duplikat seiner leiblichen Mutter werden.
Wenn du eine Beziehung mit einem pathologischen Narzissten hast oder hattest, dann erinnerst du dich an den furchtbaren Moment, der sich wie ein Schlag mit der Peitsche anfühlt. Der Moment, als das reizende Kind einem kalten unzufriedenen Vater Platz gemacht hat. Du konntest dir diesen abrupten Wandel nicht erklären, weil er hatte einzig und allein mit den inneren Abläufen des Bühnenstücks, dem Trauma-Raum der Shared Fantasie zu tun hatte. Die extrem abrupten Rollenverschiebungen und Übergänge zum nächsten Akt ergeben für den Beobachter keinen Sinn.
Narzissmus – Shared Fantasie Phasen
Betrachten wir die einzelnen Phasen etwas genauer.
Phase1:
Der Narzisst schafft über Love Bombing und Grooming eine gemeinsame Fantasie (Shared Fantasie). Er lockt dich in diesen gemeinsamen Raum, setzt dich seiner Trauer und Depression aus und infiziert dich damit. Jetzt seid ihr die zwei Säulen dieses Raums und in ihm bist du die Mutter und er das Kind. Solange du stark bist hat er Angst davor, dass du ihm das antust, was ihm seine leibliche Mutter angetan hat. Er könnte wieder abgelehnt, herabgesetzt, beschämt und verfolgt werden. Deshalb glaubt er dich entmachten zu müssen. Er braucht dich in Form einer impotenten, machtlosen, symbolischen Mutter, damit er dieses mal als Sieger hervorgehen kann. Er will sich von dir, der Mutterfigur separieren, weil ihm das bei seiner leiblichen Mutter nicht gelungen ist. Denn dieses mal hat er andere Möglichkeiten und Ressourcen, um aufrecht stehen zu bleiben und um dich zu bezwingen.
Indem er dich seinem eigenen Trauma und den Tiefen seiner dunklen Seele aussetzt und dich narzisstischen mißbraucht versucht er dich zu brechen und zu deaktivieren. Beide Mechanismen arbeiten Hand in Hand. Sie reduzieren dich so sehr, dass du kaum noch funktionierst und ihm nicht schaden kannst. Da du über lange Zeit Schmerz, Angst und Unsicherheit ausgesetzt bist regredierst du selbst zum Kind. Das ist eine unbeabsichtigte Konsequenz dessen.
Phase2:
Es kommt zur Rollenumkehr. Der Narzisst übernimmt die Mutterrolle und du die des verängstigten Kindes (Dual Mothership Konzept nach Sam Vaknin). Die Machtasymmetrie zwischen seiner Mutter und ihm ist korrigiert, wenn der Narzisst bemerkt, dass du ihm nichts mehr antun kannst. Er hat ihr nun über dich als Mutterersatz seinen Schmerz zurückgezahlt.
Narzissmus ist eine Form der Psychose (Otto Kernberg). Mit seiner fragmentierten Psyche kann der pathologische Narzisst nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart und innerer und äußerer Welt unterscheiden. Und so tut er dir das an, was er seiner Mutter antun wollte, sich aber nicht eingestehen konnte. Wenn er sich Gerechtigkeit geschaffen und das Machtgefälle korrigiert hat kann er entspannen. Er hat seine Mutter dafür bestraft, was sie ihm angetan hat. Jetzt kann er sich als Kind wieder sicher fühlen.
In seinem Kopf ist nun aus einer selbstbezogenen, übermächtigen Mutter eine Mutter geworden, die eine “sichere Basis” ist, weil sie schwach ist und ihn nicht verletzen kann. Der Narzisst fühlt sich erst dann sicher, wenn er dich zerstört hat. Nur wenn es dir schlecht geht kann er sich gut mit dir fühlen. Nur wenn du unsicher bist fühlt er sich sicher mit dir. sein Glück hängt von deinem Unglück ab. Also gibt er sein Bestes jeden Moment der Zufriedenheit und des Glücks, den du hast zu ruinieren. Deine Unabhängigkeit, Autonomie und Kraft hat ihm nur Angst gemacht. Er braucht dich als unterwürfige Mutter, die keine Gefahr darstellt.
Phase3:
Jetzt wo du schwach und unterwürfig bist fühlt er sich sicher genug, wieder in die Rolle des Kindes zu schlüpfen. Er drängt dich dazu wieder zur Mutter zu werden. Dieses Mal zur sicheren “toten” Mutter, die ihm nichts böses antun und die er nun konfrontieren kann. Denn es gibt das ungelöste Thema der Separation von seiner leiblichen Mutter. Und du bist ihr Avatar. Sie hat seine Individuation nicht zugelassen und ihm nicht gestattet Grenzen zu entwickeln. Er konnte emotional nicht reifen und blieb deshalb ein kleines Kind mit infantilen Abwehrmechanismen (z.B. splitting). Der einzige Weg erwachsen zu werden ist die Separation von seiner Mutter. Die leibliche Mutter ist zu bedrohlich oder nicht mehr da. DU lebst, aber bist nur noch ein Häufchen Elend.
Du kannst ihn nicht bestrafen, wenn er sich von dir trennt. Du bist damit beschäftigt deine Wunden zu lecken und kannst nichts tun. Nun läßt er dich fallen. Er hat dich in eine Lage gebracht, die ihm das ermöglicht, was ihm seine Mutter verweigert hat. Die symbolische Lösung von ihr. Je dysregulierter und schwächer du in diesem Moment bist desto kraftvoller fühlt er sich. Für eine Weile glaubt er erwachsen und zum Individuum zu werden.
Bis sich seine Angst wieder vermehrt. Denn der pathologische Narzisst hat wie der Borderliner neben der Angst vereinnahmt zu werden massive Trennungsangst. Wenn er dich verläßt erlebt er diese Angst. Er löst das sehr schnell, indem er dich zurückholt (Hoovering) oder aber ersetzt. Denn nach der Trennung von dir hat er ein Problem: Er bekommt das Introject in seiner Psyche (die Representation von dir) nicht los. Dieses innere Objekt raubt ihm viel Energie. Wenn er zu dir zurück kommt will er dieses innere Objekt mit der Realität versöhnen und die Objektkonstanz wieder herstellen.
Narzissmus – Wiederholungszwang
Warum unterliegt der pathologische Narzisst einem Wiederholungszwang? Warum wird er den selben Kreislauf erneut durchlaufen? Warum sucht er nach einer neuen Mutterfigur, wenn der Konflikt doch gelöst zu sein scheint? Pathologischer Narzissmus ist eine Zwangsstörung, die sich selbst immer wieder verstärkt. Das wahre Ich ist nicht entwickelt. Stattdessen hat ein Konstrukt die Kontrolle und alle Ich-Funktionen übernommen.
Alle Nachholversuche der Individuation müssen allein deshalb schon ins Leere laufen. Dazu kommt, dass der gesunde erfolgreich verlaufende Individuationsprozess des Kindes eine stabile in sich selbst ruhende Mutter voraussetzt. Er ist kein Machtkampf, in dem es Über- und Unterlegene gibt. Die Art und Weise, wie der pathologische Narzisst seinem Trauma entkommen und erwachsen werden will ist in sich selbst zutiefst gestört.
Narzissmus – Beziehungsunfähigkeit
Der pathologische Narzisst ist beziehungsunfähig. Wie alle Cluster B – Typen hat er eine “Als ob”-Persönlichkeit (eine Art Schwarm-Bewußtsein). Ihm fehlt ein stabiler Wesenskern.
Ein klarer Wesenskern verbindet normalerweise Ereignisse der Vergangenheit mit Taten im Jetzt und Plänen für die Zukunft. Wenn er fehlt können die Regeln einer gesunden Kommunikation im Umgang mit diesem Menschen auch nicht zu einem Ergebnis führen. Das Ich definiert, wo ein Individuum endet und wo seine Umwelt beginnt. Im pathologisch narzisstischen Zustand wurden all diese Funktionen einem Konstrukt – dem falschen Selbst – überantwortet.
Der pathologische Narzisst entwickelt deshalb falsche Erinnerungen und unrealistische Erwartungen. Diese Verzerrungen rechtfertigt er mit Hilfe seines Intellekts. Kohärentes Verhalten ist ihm deshalb gar nicht möglich. Klärungsversuche mit einem pathologischen Narzissten laufen also aus mehreren Gründen ins Leere. Einem solchen Gegenüber fehlt es an einem echten Referenzpunkt. Dazu kommt die Unfähigkeit sich einzufühlen und Augenhöhe zum Partner zuzulassen. Die Diskontinuität und Abwesenheit führt auch zur Unfähigkeit aus Fehlern zu lernen.
Bedürfnisse nach körperlicher und emotionaler Zuwendung kann der pathologische Narzisst nicht tolerieren, denn auch sie gefährden sein grandioses falsches Selbst. Er projiziert seine abhängigen, bedürftigen Aspekte unbewußt auf den coabhängigen Partner, der sich leider oft bereitwillig dafür zu Verfügung stellt.
Narzissmus – Loslösung
Die Loslösung aus einem Trauma-Raum ist um ein vielfaches schwerer, als die Trennung und Lösung aus einer normalen Beziehung. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Eine davon ist, dass du als Betroffene(r) neben dem Schmerz über den Verlust des Partners einige andere Dinge zu betrauern und zu verarbeiten hast.
🔥 Du trauerst um den Verlust einer gemeinsamen Fantasie – den idealisierten Partner und dein idealisiertes Selbst.
🔥 Du betrauerst die Tatsache, dass deine Fähigkeit zu lieben und zu vertrauen unter dieser Beziehung gelitten hat und dass du es zugelassen hast, dass dir dieser Schaden zugefügt wurde.
🔥 Vor allem aber trauerst du um den Verlust eines verletzten kleinen Kindes, das du ins Herz geschlossen hattest und um keinen Preis aufgeben wolltest.
Nun stehst du vor der Aufgabe die Realität anzuerkennen, ohne zu verzweifeln. Du mußt lernen dich zu verteidigen und Grenzen zu setzen, ohne bitter und aggressiv zu werden. Und du stehst vor der Aufgabe dein Anteile aufzuarbeiten, ohne der Versuchung zu verfallen, wie besessen ums Thema zu kreisen.
Enge und Starre (constriction) ist eine Trauma-Folge. Deshalb ist es so wichtig achtsam zu sein und zu erkennen, wenn du nach Beendigung dieser Beziehung starre Schlußfolgerungen für dich ziehst. Mit Beschlüssen, wie “Ich lasse mich auf keine Beziehung mehr ein.” oder “Ich werde keinem Menschen mehr vertrauen.” fällst du der Vermeidung zum Opfer.
Mache dir bitte bewußt: Mißtrauen und Feindseligkeit sind narzisstische Abwehrmechanismen. Sie würden dafür sprechen, dass der Mensch, der dich mißbraucht hat auf eine gewisse Weise immer noch in dir wohnt.
Ich unterstütze dich gern in deinem Loslösungs- und Heilungsprozess: Meine Angebote