Söhne narzisstischer Väter
Söhne narzisstischer Väter begleitet oft lebenslang das diffuse Gefühl nicht zu genügen. Schon als kleine Jungen haben sie gespürt, dass sie es nie schaffen werden, die Liebe und Anerkennung ihrer Väter zu bekommen. Oft entwickeln sie einen abweisend vermeidenden Bindungsstil oder narzisstische Tendenzen, wie ihre Rollenvorbilder.
Söhne narzisstischer Väter / Verhaltensmuster
Narzisstische Väter tendieren dazu vor allem die Erfolge ihrer Söhne zu ignorieren. Sie halten sie klein und beschämen vor allem Erstgeborene für ihre Fehler.
Sie unterbinden oder belächeln den Ausdruck von Verletzlichkeit, dulden keine Anzeichen von Schwäche und keine Traurigkeit bei Niederlagen. Ihren Freunden gegenüber prahlen sie gern mit den Fähigkeiten ihrer Söhne.
Narzisstische Väter konkurrieren oft recht skrupellos mit ihren Söhnen, ungeachtet ihres Alters oder Entwicklungsstandes.
Sie sind verdeckt eifersüchtig auf die Zuwendung und Aufmerksamkeit, die Söhne ganz besonders von emotional ausgehungerten Müttern bekommen.
Besonders ein ältester Sohn wird unterbewusst als Konkurrent gesehen. Das treibt narzisstische Väter manchmal sogar dazu, später mit den Freundinnen dieses Sohnes flirten.
Narzisstische Väter bestimmen, wie die Dinge in der Familie zu laufen haben. Sie verhalten sich autoritär und bestehen auf die Unantastbarkeit ihrer Sichtweisen. Wenn nötig setzen sie sie sehr rigoros durch.
Söhne narzisstischer Väter / Kafka und sein Vater
Der Schriftsteller Franz Kafka beschreibt in einem Brief an seinen Vater sehr anschaulich diese Form der Egozentrik und Intoleranz:
“Was ich nie nachvollziehen konnte war deine gänzlich fehlende Wahrnehmung dessen, wie sehr ich unter deinen Worten und Verurteilungen gelitten habe und welche Schamgefühle es in mir hervorrief. Es schien, als ob du gar nicht registriert hast, welche Macht du über mich hattest …
… Ich weiß, dass ich dich auch oft mit Worten verletzt habe. Aber es war mir zumindest bewusst und es hat mir weh getan. Ich konnte mich nur nicht kontrollieren, konnte die Worte einfach nicht zurückhalten …
… Schon in dem Moment, als ich sie gesagt habe tat es mir furchtbar leid. Du dagegen hast mit Worten nur so um dich geschlagen, ohne darüber Aufsehen zu machen. Mitleid hattest du mit niemandem, weder während dessen noch danach. Ich war dir absolut ausgeliefert. “ (Popova, 2015)
In der Scheinrealität, in die sich ein narzisstischer Vater zurückgezogen hat muß er seine Familienmitglieder nicht wahrnehmen. Gleichzeitig bleiben sie unerreichbar für ihn. Und das macht ihm sein arrogantes, selbstherrliches Auftreten ohne Einfühlungsvermögen erst möglich.
Kafkas Vater verurteilte Menschen. Er erlaubte ihnen nicht, seine Anordnungen und Ansichten in Frage zu stellen oder ihn für etwas zur Rechenschaft zu ziehen.
Seine Regeln und Gesetze wurden mitgeteilt. Und zwar so, dass es keinen Widerspruch gab. Kafka drückte es so aus:
” .. du sprachst mit mir in einem beängstigenden Ton, in dem chronischer Ärger und Verurteilung mitschwang, ein Ton der mich heute vielleicht ein bisschen weniger als damals zum zittern bringt.”.
Für den jungen Franz Kafka war es demütigend und deprimierend zugleich, dass die aufgestellten Gesetze seines Vater nur für ihn galten. Das beschreibt er im Brief an ihn über die Bilder dreier Welten, mit denen er sich als Kind konfrontiert sah:
“Da war meine Welt, in der ich – der Sklave – unter Gesetzen stand, die nur für mich erfunden worden waren. Ich konnte mit ihnen nie ganz konform gehen, ich weiß nicht genau warum. Und dann gab es eine zweite Welt, die unendlich weit von meiner entfernt war, in der du gelebt hast und mit dem Regieren beschäftigt warst, mit dem Erteilen von Anordnungen und der Gereiztheit darüber, dass ihnen wieder nicht korrekt Folge geleistet wurde. Und schliesslich gab es eine dritte Welt, wo alle anderen lebten und glücklich zu sein schienen …
… Sie waren frei von Machthabern, gegenüber denen man Gehorsam ausüben musste. Der Entwürdigung war ich in jedem Fall ausgesetzt. Wenn ich auf deine Anordnungen gehört habe war es entwürdigend, weil sie nur für mich galten. Wenn ich mich ihnen widersetzt habe hast du mich gedemütigt, denn wie konnte ich es nur wagen, dir zu widersprechen. Und wenn ich einfach nicht gehorchen konnte, weil ich deine Fähigkeiten, deine Stärke oder deinen Appetit nicht hatte und du das aber von mir erwartet hast, dann war das mit Abstand die schlimmste Form der Demütigung.” (Popova 2015)
Söhne narzisstischer Väter / Folgen
Kinder sind ihren Eltern hilflos ausgeliefert. Die Vernachlässigung und ausbleibende Befriedigung von Bedürfnissen hinterläßt in ihnen chronische Schamgefühle.
Ihre Machtlosigkeit und die Tatsache, dass sie Ungerechtigkeit dulden müssen erzeugt Wut, die unterdrückt werden muß und kein Ventil findet, weil ihr Ausdruck existenzielle Ängste verursachen würde .
Als Erwachsene neigen Söhne narzisstischer Väter dazu oft in heftige Auseinandersetzungen mit anderen zu geraten. Ihre angestauten Gefühle der Wut brechen schon durch kleine Auslöser an die Oberfläche.
Sie lassen ihre Wut und Verachtung an sich selbst und anderen aus, reagieren schnell aggressiv oder fallen ins andere Extrem: Sie lassen sich passiv durchs Leben treiben und weigern sich Verantwortung zu übernehmen und klare Entscheidungen zu treffen.
In Beziehungen zeigen sie oft verdeckt narzisstische Tendenzen mit passiver Aggression. Ihre verdrängten Schamgefühle lassen sie hypersensibel auf jede Form von Kritik reagieren. Ihren Frust agieren sie oft aus. Durch die immer präsente Angst vor Vereinnahmung und vor Verlust fühlen sie sich von anderen Menschen – besonders aber von nahe stehenden – permanent bedroht.
Söhne narzisstischer Väter entwickeln nicht selten selbst narzisstische Züge oder sie leiden starker unter ihrer Co-Abhängigkeit.
In jedem Fall fühlen sie sich unterbewußt nicht liebenswert, weil sie die Botschaft ihrer Väter, eine Last zu sein verinnerlicht haben, auch wenn sie eine liebevoll zugewandte Mutter hatten.
Sie war nicht in der Lage gut für sich selbst zu sorgen und hat ihren männlichen Nachwuchs oft unbewusst als Partnerersatz zur eigenen emotionalen Stabilisierung benutzt.
Männer, die in der Kindheit dieser familiären Konstellation ausgesetzt waren tragen also oft zusätzlich schwer an ihrer Mutterwunde.
Kinder, die mit einem narzisstischen Elternteil groß geworden sind möchten oft unter allen Umständen unabhängig bleiben und aufgrund ihrer massiven Angst vor Kontrolle weigern sie sich, ihre emotionalen Bedürfnisse und ihren Wunsch nach Bindung anzuerkennen.
Echte Intimität ist für sie bedrohlich, was ihre unbewusste Affinität zu toxischen Beziehungen mit Menschen, die ebenso traumatisiert sind erklärt.
Der ausgeprägte Ehrgeiz erwachsener Söhne narzisstischer Väter ist ein unterbewusster Versuch, die Anerkennung des Vaters doch noch zu bekommen.
Für sie selbst ist er meist bedeutungslos. All ihr Streben hinterläßt eine Leere. Es verfehlt seinen Sinn, denn für ihre Väter ist es nie genug.
Söhne narzisstischer Väter / Schlussfolgerungen
Was tun, wenn du dich im kleinen Franz Kafka wiedererkennst?
Mache dir zunächst deine Muster bewußt, wenn du dich befreien und sie nicht an die eigenen Kinder weiterreichen willst.
Suche dir Unterstützung. Eine Therapie sollte darauf abzielen, deine alten konditionierten Denk- und Verhaltensweisen zu lösen, Vertrauen in dich selbst und andere aufzubauen und gesunde Grenzen zu etablieren. Mit anderen Worten kann sie dir helfen, dich selbst wiederzufinden.
Kinder brauchen das Gefühl von ihren Eltern für das, was sie sind geliebt zu werden – nicht für das, was sie tun. Nur dann können sie emotional gesund aufwachsen.
Andernfalls werden sie dazu gezwungen, bestimmte Aspekte ihrer Persönlichkeit zu verleugnen und zu verdrängen. Und Menschen, die sich selbst entfremdet sind können Nähe und Intimität nicht zulassen.
Falls es dich zutiefst berührt, wenn du mal etwas Zuneigung oder eine Entschuldigung von einem anderen Menschen bekommst, dann ist das nicht einfach ein Ausdruck gesunder Bescheidenheit. Dann bist du ein gebranntes Kind, das einem narzisstischen Elternteil ausgesetzt war und deshalb spürst du deinen eigenen Wert nicht mehr.
Auch bei Franz Kafka war das so. Er schreibt in seinem Buch, dass ihn Tränen überwältigt haben, als sein Vater mal kurz in sein Zimmer schaute, als er krank war und ihm zugewinkt hat.
Wonach der kleine Junge Franz sich gesehnt hat, das waren eben diese Kleinigkeiten:
“... ein bisschen Ermutigung, ein bisschen Freundlichkeit, ein bisschen Kontakt …”
Er bekam sie selten, denn er schreibt weiter:
” .. den du so oft blockiert hast, natürlich mit der guten Absicht mir den richtigen Weg zu zeigen.”
Söhne narzisstischer Väter leiden durch das Aufwachsen in einer Atmosphäre der Anspannung und Emotionslosigkeit oft ihr Leben lang unter Einsamkeit.
Diese Einsamkeit begleitet sie überall hin, ganz egal ob sie unter Menschen sind oder nur mit sich selbst.
Wenn ihr innerer Wesenskern, der Liebe ist, der Liebe geben und empfangen kann, nicht ganz zerstört wurde, dann ist Heilung möglich. Es braucht allerdings viel Mut und Motivation.
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